Anita Herrmann nimmt als neue Kreisbehindertenbeauftragte ihre Arbeit auf
Zu einem neuen Amt gehören Ambitionen und Visionen. Beides bringt Anita Herrmann mit. Die 45-Jährige ist die neue Kreisbehindertenbeauftragte und sagt: „Wenn es beispielsweise völlig normal ist, dass behinderte und nicht behinderte Menschen zusammen Sport machen, dann haben wir ein wesentliches gesellschaftliches Ziel erreicht.“ Sie möchte die von der Kreispolitik unter dem Titel „Modellregion Inklusion Wesermarsch“ formulierten Ziele aufgreifen und die Chancengleichheit in allen gesellschaftlichen Bereichen im Dialog mit Vereinen und Institutionen zur Selbstverständlichkeit werden lassen.
Anita Herrmann ist studierte Sozialarbeiterin und -pädagogin und seit Januar 2023 beim Landkreis beschäftigt. Sie wurde seinerzeit als „Verfahrenslotsin“ eingestellt, eine beratende Tätigkeit für Eltern von Kindern mit Behinderungen. Ihre neue Aufgabe bezeichnet sie als persönlichen Glückstreffer. „Jetzt kann ich noch besser all das machen, was meine Stärke ist und was mir am meisten Freude bereitet: für andere Menschen da zu sein“, sagt sie.
Vorgestellt hat sie sich den Mitgliedern des Ausschusses für Kreisentwicklung, Klimaschutz und Inklusion in der jüngsten Sitzung bereits. Dabei ist deutlich geworden: Anita Herrmann bringt nicht nur Optimismus und Visionen mit, sondern auch viel Lebenserfahrung. Das ist vor allem ihrer Neugier zu verdanken, die sie zu verschiedenen beruflichen Stationen geführt hat. So ist die gebürtige Badenerin nicht nur gelernte Barkeeperin und Weinsommelière, sondern sie hat auch eine Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik abgeschlossen und auf einer Kläranlage gearbeitet.
Als Taxifahrerin hat sie weitere Erfahrungen gesammelt und beispielsweise Krebs- und Dialysepatienten zu ihren Therapien gefahren. „Wir haben auf den Fahrten einige tiefgehende Gespräche geführt, die mich beeindruckt und meine Sicht auf das Leben verändert haben“, berichtet sie. Es folgte ein weiterer beruflicher Wandel, hin zur Sozialarbeit mit staatlicher Anerkennung. Und schließlich waren es nicht nur die Gespräche mit Patienten, sondern auch eigene Erfahrungen, die Anita Herrmann nachhaltig geprägt haben. Die familiäre Pflege ihres schwer erkrankten Vaters, die Pflege ihrer Mutter und auch der gesellschaftliche Umgang mit Legasthenie. „Vor allem in der Pflege habe ich erstmals das Gefühl von Hilflosigkeit gespürt. Weil wir in unserer Mobilität eingeschränkt waren. Und weil Therapeuten und Institutionen nicht gut im Sinne des Patienten kooperiert haben“, blickt sie zurück. Ihren Frohsinn hat sie trotz alledem nicht verloren.
Anita Herrmann ist im Jahr 2012 der Liebe in die Wesermarsch gefolgt. Sie hat Seefeld zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht, fühlt sich mit Mann und Tochter im gemeinsamen Haus pudelwohl. Zehn Jahre lang hat sie beim CVJM gearbeitet und bereits ein Netzwerk aufgebaut. „Dort habe ich eine sehr lehrreiche Zeit verbracht, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt war“, sagt sie. Was sie für die Aufgabe als Kreisbehindertenbeauftragte in Teilzeit motiviert? „Legasthenie war in meiner Jugend ein Tabu. Als Betroffene war es in der Gesellschaft für mich nicht immer leicht. Ich möchte Menschen mit Handicap Mut machen und mich für dafür einsetzen, dass Teilhabe in der Praxis funktioniert, nicht nur in der Theorie“, sagt sie.
Mit welchen Maßnahmen sie ihre Visionen in die Tat umsetzen wird, will sie in Gesprächen mit Institutionen und Vereinen erörtern. Auf Menschen zuzugehen, ins Gespräch zu kommen, zuzuhören – all das zählt zu ihren Stärken. Ihr Kalender ist schon gut gefüllt mit Gesprächen und Vorstellungsrunden. Ihr Weg führt beispielsweise zum Kreisbehindertenbeirat, zur Lebenshilfe, zum CVJM, zur Ovelgönner Lebensmühle und zu allen Senioren- und Behindertenbeiräten in den Gemeinden und Städten.
Anita Herrmann: „Nach meinem Verständnis gehört eine Kreisbehindertenbeauftragte nicht nur ins Kreishaus. Gerade, wenn Personen in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, werde ich den Weg zu ihnen finden.“